Kulturhanse-Expeditionen #10: Die Gründer*innen im Kulturhanse-Labor

In unserer Serie Kulturhanse-Expeditionen stellen wir euch ausgewählte Auszüge aus unserer Publikation vor. Dies sind spannende Themen, Analysen, Ideen und Erkenntnisse auf unserem Weg. In Teil 8 & 9 drehte sich alles um die Orte und Netzwerke. Nun wenden wir uns denen zu, um die sich alles dreht: Die Gründer*innen. Wer dockte in den Kulturhanse-Laboren an? Was suchten sie, was trieb sie an?  Erfahrt im 10. Teil unserer Serie, was den Gründer*innen die Kulturhanse-Labore brachten.

von Martin Arnold-Schaarschmidt

Mit der Kulturhanse wollen wir Perspektiven für ein gutes Leben vor Ort schaffen und das über sozialunternehmerische Gründungslabore » Das Kulturhanse-Projekt, S. 16ff., » Labore mit der Kulturhanse bauen, S. 88ff. Und gerade in wirtschaftlich und strukturschwachen Regionen, wie jenseits der Großstädte in Ostdeutschland, fehlen Perspektiven. Umso wichtiger ist es, dort unkonventionelle Ideen und Gründer*innen mit Blick fürs Gemeinwohl zu fördern (vgl. Christmann, 2020).

Wir haben also Menschen vor Augen, die eine neue, auch ökonomische Perspektive für sich suchen, damit sie an diesem Ort bleiben oder hier hinziehen können. Und andere, die für alle ein gutes Leben vor Ort erleichtern wollen, anders ausgedrückt, die zum Gemeinwohl beitragen wollen. Wer aber kommt tatsächlich in ein Kultur- hanse-Labor? Was suchen sie, was treibt sie an? Und was bringen ihnen die Labore? Hier fassen wir unsere Beobachtungen aus den ersten Jahren zusammen.

Wir nennen sie Gründer*innen

Kulturhanse-Labore und deren Angebot sollen Menschen anregen und es ihnen erleichtern, miteinander Probleme und Chancen zu erkunden, Ideen zu versuchen und schließlich ins Machen zu kommen. Die Veränderungen und guten Perspektiven, die durch Kulturhanse-Labore entstehen sollen, hängen aber an jenen Menschen, die diese Räume nutzen. Alles startet also mit ihnen. Sie packen die Probleme und Chancen tatsächlich an, gehen voran und nehmen andere mit. Es sind Menschen, die eigene Zeit, eigenes Geld, eigenen Ruf für eine Lösung investieren und dabei Einnahmen und Ausgaben im Auge behalten.

Eine Kulturhanse, damit mehr Menschen im ländlichen Osten gut leben können.

Mit unserer Projektpublikation, den Kulturhanse-Expeditionen reisen wir auf 182 Seiten noch einmal durch die ersten fünf Jahre der Kulturhanse. Fünf Jahre, in denen wir versuchten, gemeinwohlorientierte Gründungslabore und Ökosysteme jenseits großer Städte in Ostdeutschland zu initiieren. Fünf Jahre, in denen wir die Macher*innen vor Ort ermutigten, stärkten, lokal und regional mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft vernetzten.

Für diese besondere Gruppe mit dieser Herangehensweise, Handlungskompetenz und -bereitschaft gibt es viele Namen: Sozialunternehmer*innen, Changemaker*innen, Social Entrepreneurs und viele spezifischere. Wir nennen hier vereinfacht alle Menschen, die eine Unternehmung zum Wohle vieler umsetzen oder erst starten, Sozialunternehmer*innen » Mit Social Entrepreneurship Perspektiven vor Ort schaffen, S. 22ff. Des Weiteren nennen wir alle Menschen Gründer*innen, die eine Unternehmung starten wollen und das auch, wenn sie zwar keine neue Rechtsform gründen, aber bestehende Geschäftsmodelle grundlegend ändern. Das kann zum Beispiel die Neuausrichtung auf ökologische Produkte sein oder der Wandel in eine hauptamtliche Struktur.

Wer nutzte die Kulturhanse-Labore?

Ein Teil der Antwort ergibt sich aus dem Ausschluss jener, die Kulturhanse-Labore nicht nutzten. Unsere Labore sind keine Wachstumsbeschleuniger, Gewerbeparks oder Forschungslabore. Wer marktfähige Produkte einführen will oder an technologischen Innovationen arbeitet, braucht Branchenkontakte, Infrastruktur, Kundschaft und Investitionen. Diese Gründer*innen wurden bei uns also nicht fündig. Vielmehr nutzten es jene Menschen, die für sich und ihre Ideen einen Entwicklungsraum brauchten, die erst herausfinden wollten, ob und wie sie und ihre Ideen marktfähig werden können. Wer diese Fragen schließlich mit „Ja“ beantwortete, konnte auch andere Angebote der Gründungsförderung richtig nutzen.

Kulturhanse-Labore wollten gutes Leben und ökonomische Perspektiven ermöglichen. Dafür berieten und begleiteten die Mitarbeiter*innen dort Menschen in der Entwicklung ihrer Ideen und Person. Trotz mancher Ähnlichkeit waren die Labore aber keine sozialarbeiterischen Unterstützungsstrukturen.

 Wer nur Hilfe für existenzielle, gesundheitliche, seelische oder rechtliche Krisen suchte, konnte die Kulturhanse nicht nutzen. Allerdings begleiteten wir durchaus Gründer*innen, die mit der Gründung selbst einen Weg aus den Krisen bauen wollten. Alle Gründer*innen, die Teil der Kulturhanse-Labore wurden, hatten schon ein paar Stationen im Leben hinter sich und mittlerweile genug Lust oder Not, um etwas Neues zu versuchen. Manche kamen mit klaren Ideen, andere waren nebulös; manche kamen aus Leidenschaft, andere aus Gelegenheit. Gemeinwohl war für einige der Fixstern, für andere freundliche Grundstimmung. Es gab Gründer*innen, die konnten nur abends, und es gab welche, die nutzten das Labor als zweites Zuhause. Manche arbeiteten fokussiert, andere wechselhaft. Gründungserfahrung hatten die wenigsten. Es gab kein Angebot, kein Programm, das für alle passte. Das machte die Arbeit mit ihnen und untereinander zu einem Wechsel aus Reibung und Freiraum, einer Begleitung auf Zeit. Sie alle aber suchten andere Menschen und Orte, Perspektiven, Anschluss, Fokus, Inspiration, Rücken- wind und Ressourcen. Entlang ihrer Motivationslage beobachteten wir vier große, überschneidende Typen.

Wie unterstützte sie das Kulturhanse-Labor?

Hier beobachteten wir verschiedene Ebenen. Die Zeit in der Kulturhanse brachte die Gründer*innen persönlich weiter, auch ihre Gründungsidee und den Gründungsprozess. Außerdem stimulierten die Aktivitäten der Labore und der Gründer*innen das lokale Ökosystem, erzeugten neue gemeinwohlorientierte Geschichten und Impulse. Das schaute sich auch die externe Evaluation näher an » Wirkungen erreichen in unruhigen Zeiten, S. 138ff.

Die Gründer*innen waren als Person sehr gefordert. Vieles war zu bedenken und ins Un- gewisse hinein zu gestalten. Auch hatten sie persönliche Herausforderungen zu stemmen, etwa ihre Existenzsicherung, Verpflichtungen mit Ämtern, Job oder Familie. Im Kulturhanse-Labor fanden sie eine kollegiale Community von Menschen auf einer ähnlichen Reise. Sie erhielten eine Einladung, sich zu verbünden, wo vorher jede und jeder alleine stand. Die Community eröffnete einander relevantes Wissen, kollegiales Feedback, Anschluss, Orientierung, Motivation, Anerkennung. Im Labor erhielten die Gründer*innen Workshops, Coaching und Erprobungsräume. Hier wurde an der Gründungsidee gearbeitet, aber auch daran, sich besser zu organisieren, zu fokussieren und zu lernen, wie sich auch im Ungewissen gut manövrieren lässt. Nicht zuletzt fanden sie auch heraus, ob Gründen zu ihnen passte.

Wer gründet, riskiert einiges. Deshalb sollte man nur gründen, was sich vorher be- währt hat. Im Kulturhanse-Labor gründeten die meisten zum ersten Mal und wussten nicht, wie man zu einem überzeugenden Geschäftsmodell kommt. Sie hatten auch Produkte noch nie mit Nutzer*innen entwickelt oder getestet, keinen Markteintritt eingeplant. Durch diese komplexen Prozesse führten die Labore mit Workshops, Beratung und begleiteten Testmöglichkeiten. Trotzdem fiel es einigen schwer, sich darauf einzulassen, die Methoden und Anforderungen zu verstehen oder für sich nutzbar zu machen. Deshalb war die Labor-Crew besonders gefordert, alles individuell aufzuschließen.

Um etwas zu gründen, müssen die Menschen ins Machen kommen, tatsächlich ins Boot steigen, Steuer und Ruder in die Hand nehmen und bei Sturm und Flaute die See erkunden. Damit dieser Sprung gelingt, organisierten die Kulturhanse-Labore Aktivitäten und Anlässe, in denen die Gründer*innen etwas anbieten, etwas erhalten, ihre Ideen mit Stakeholdern testen und abgleichen konnten. Das waren temporäre Formate wie Pop-Up-Stores, Märkte oder Kleinaufträge – begleitete Gelegenheiten, um vom Planen ins Machen zu kommen. Gründungsprozess und Markteintritt brauchen Arbeit, Knowhow, Kontakte und Geld. Die meisten müssen sich das erst einsammeln. Schon die Aussicht darauf, und dass alles verloren gehen könnte, hält viele Menschen vom Versuch ab. Die Kulturhanse-Labore versuchten deshalb, systematisch Risiken zu verringern und kontrollierbarer zu machen. So erleichterten sie den Gründer*innen über organisierte Testverkäufe, Öffentlichkeitsarbeit, eigene Shops und Veranstaltungen die Kundengewinnung und erste Einnahmen. Mit der Community wurden gezielt relevantes Knowhow und passende Kontakte gesammelt. Auch kleinere Jobs aller Art, um Eigenmittel aufzubauen. Einige Leistungen und Arbeitsmittel machten sie sich als Leihgaben und Leistungstausch verfügbar. Und im Labor gab es günstig das eigene Büro mit Briefkasten.

Über ganz verschiedene Zugänge luden die Kulturhanse-Labore und auch Gründer*innen viele Menschen auf sozialunternehmerisches Denken und Handeln ein: auf Präsentationsveranstaltungen, in Gesprächen auf Testmärkten, in Reflexionen mit Testkund*innen, in Befragungen oder Workshops. Es ging dabei auch um eine Sensibilisierung, um ein stärker sozial- unternehmerisches Ökosystem, in dem dann mehr Menschen bereit sind, etwas zum Wohle aller zu bewegen und die zu unterstützen, die es versuchen » Kulturhanse-Labore für das lokale Ökosystem, S. 82. Denn auch die Rahmenbedingungen sind entscheidend für den Erfolg jeder Gründung und für gute Perspektiven und ein gutes Leben vor Ort.

Wir haben beschrieben, welche Art Gründer*innen Kulturhanse- Labore suchen und nutzen. Auch welche Unterstützung sie und ihre Gründung direkt und indirekt erfahren. Jetzt wird es Zeit, ein paar konkrete Gründer*innen aus den ersten Kulturhanse- Laboren kennenzulernen. In unseren Portraits Gründer*innen aufm Kieker stellen wir euch exemplarisch zwei Gründungsideen vor: das mobile Spielecafe & Camillo 2.0

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018). Praxisleitfaden Soziales Unternehmertum. Frankfurt am Main: Druck- und Verlags- haus Zarbock GmbH & Co. KG.

SEND e.V. (2021b). Social-Entrepreneurship-Gründungsberatung. Ein Handbuch für Gründungsberater*innen zur Beratung von Social Entrepreneurs. Abgerufen von https://www.send-ev.de/wp-content/uploads/2021/10/ Social-Entrepreneurship-Gruendungsberatung.pdf [17.02.2023]

Andocken

Gern organisieren wir solche Formate bei dir vor Ort. Sprecht uns gern an, wenn wir Euch bei der nachhaltigen Entwicklung eures gemeinwohlorientierten Ortes unterstützen sollen. Meldet euch unter: rike@kulturhanse.org.

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Wissenstransfer

Wir geben unser Wissen gern weiter, z.B. in Vorträgen, Impulsen, Workshops, Trainings, Weiterbildungen zu Themen wie: Was brauchen Social Entrepreneure auf dem Land? Wie verwandelt man Leerstand in einen Ort aktiven bürgerschaftlichen Engagements?

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Begleitung & Coaching

Ob Organisations- oder/und Regionalentwicklung – wir begleiten euch dabei Lösungen für eure konkreten lokalen, regionalen Problemstellungen zu entwickeln.

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Werkstattprogramm

Neben maßgeschneiderten Prozessen bieten wir die Kulturhanse-Akademie, ein Werkstattprogramm in einem strukturierten, kollegialen Rahmen. Bereits in zwei Jahrgängen konnten wir uns vom Erfolg des Zusammenspiels zwischen Qualifizierung, Raum- und Laborentwicklung und Inspirationsreise überzeugen.

Gruppenfoto @Philipp Hort

Vernetzungs
veranstaltungen

Unser Kulturhanse-Netzwerk bringen wir in Konferenzen, Camps und anderen Peerformaten zusammen. Im Austausch mit anderen Macher*innen, Stakeholdern und Entscheidungsträger
*innen lässt sich Inspiration und Mut für das eigene Vorhaben schöpfen.