Kulturhanse-Expeditionen #9: Mit der Kulturhanse Labore bauen

In unserer Serie Kulturhanse-Expeditionen stellen wir euch ausgewählte Auszüge aus unserer Publikation vor. Dies sind spannende Themen, Analysen, Ideen und Erkenntnisse auf unserem Weg. Nachdem wir im letzten Teil darüber sprachen, wie wichtig Orte für den Aufbau eines Ökosystems sind, fragen wir uns jetzt: Wie lassen sich solche Labore entwickeln? Was braucht es dafür?

Aus unserer Sicht braucht es Menschen, die etwas in dieser Art wollen, also erste Nutzer*innen. Es braucht den Zugriff auf Räume, Arbeitsmittel, Wissen, Geld, guten Ruf. Man muss das nicht selbst besitzen, aber verfügbar machen können. Und es braucht natürlich ein paar Menschen, die daraus ein Angebot, ein Labor machen und andere dazu einladen können: die Laborgründer*innen. Gibt es die, kann es losgehen.

von Martin Arnold-Schaarschmidt

Ein Gründungslabor aufzubauen ist ja selbst eine Gründung, und ein Kulturhanse-Labor ein Sozialunternehmen » Mit Social Entrepreneurship Perspektiven vor Ort schaffen, S. 22ff. Alles, was für erfolgreiche sozialunternehmerische Gründungen und Gründer*innen gilt (vgl. SEND, 2021b; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018), trifft auch auf die Gründer*innen eines Kulturhanse-Labors zu. Um sie sehr passgenau zu unterstützen und die Laborgründung zu beschleunigen, bietet die Kulturhanse ein spezifisches Gründungsprogramm an » Unser Werkstattprogramm, S. 58ff. Dort beschreiben wir auch wichtige Herausforderungen für diese Gründer*innen.

Ein Labor braucht Räumlichkeiten. Und zwar solche, die für die angedachten Labornutzer*innen reizvoll sind – aus den wahrgenommenen Nutzungsmöglichkeiten heraus, aus ihrer Lage und Zugänglichkeit und den Menschen und Möglichkeiten, die sich dort finden. Häufig wollen sie die Räume für Schreibtischarbeit nutzen, auch für Veranstaltungen, Meetings. Seltener auch als Werkstatt oder Shop. Die Räume müssen nicht groß sein, aber gefahrlos nutzbar und leicht zu finden, barrierearm und veränderbar. Dazu gehören grundlegende Einrichtungsgegenstände, zum Beispiel Tische, Stühle, Teeküche, sowie Arbeitsgeräte und -mittel wie Drucker, Moderationsmaterial, Werkzeug. Was genau gebraucht wird und wie, hängt sehr von den Nutzer*innen ab und kann sich ändern. Die Anforderungen an die Räume gleichen also Coworking Spaces » Coworking Spaces als mögliche Katalysatoren für die lokale Entwicklung, S. 36ff. Einrichtungs- und Nutzungskonzepte für das eigene Labor lassen sich wunderbar von guten Beispielen ableiten, wie Coworking Spaces, offenen Werkstätten oder anderen Kulturhanse-Laboren. Sie sollten aber entlang der Bedarfe und Möglichkeiten der eigenen Nutzer*innen wachsen. Einrichtungs- und Nutzungskonzepte für das eigene Labor lassen sich wunderbar von guten Beispielen ableiten, wie Coworking Spaces, offenen Werkstätten oder anderen Kulturhanse-Laboren. Sie sollten aber entlang der Bedarfe und Möglichkeiten der eigenen Nutzer*innen wachsen.

Eine Kulturhanse, damit mehr Menschen im ländlichen Osten gut leben können.

Mit unserer Projektpublikation, den Kulturhanse-Expeditionen reisen wir auf 182 Seiten noch einmal durch die ersten fünf Jahre der Kulturhanse. Fünf Jahre, in denen wir versuchten, gemeinwohlorientierte Gründungslabore und Ökosysteme jenseits großer Städte in Ostdeutschland zu initiieren. Fünf Jahre, in denen wir die Macher*innen vor Ort ermutigten, stärkten, lokal und regional mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft vernetzten.

Mit einem Design Thinking Ansatz entwickelten die Werkstatt-Teilnehmer*innen Angebote ihrer Gründungslabore und bauten dafür kleine Mock-Ups aus Lego.

Zum Leben erwacht ein Labor erst durch die aktive Begegnung: Menschen, die miteinander Probleme und Chancen erkunden, Ideen sammeln, Lösungen versuchen und schließlich ins Machen kommen » Die Gründer*innen im Kulturhanse-Labor, S. 110ff. Das ist auch die Quelle des Ökosystems. Und damit Menschen häufiger und intensiver zueinander finden, muss das Labor ein lohnenswerter, bekannter Treffpunkt sein. Insbesondere jenseits großer Städte, wo sich Menschen mit neuen Ideen noch seltener über den Weg laufen. Damit sie und alle Akteur*innengruppen, die man einlädt, auch ins Labor kommen, braucht es deshalb reizvolle Anlässe und Angebote. Die Labormacher*innen müssen diese also organisieren und kommunizieren. Das können Veranstaltungen oder Märkte sein, um eigene Ideen zu testen, Kundschaft und Einnahmen zu generieren. Oder sie laden zur Begegnung mit Menschen oder Institutionen, die über relevantes Wissen, Knowhow oder Mittel verfügen. Sie können auch mit Jobs oder Aufträgen locken. Grundlegend ist immer eine lebendige Community, also die regelmäßige Anwesenheit mehrerer Gründer*innen. Über sie lässt sich immer etwas finden, was einen weiterbringt. Neben den genannten Ressourcen bietet die Community auch Partnerschaft, Rückhalt und Mut.

Was alle erfolgreichen Labore verbindet, ist eine besondere Kultur und das konkrete Angebot, ein Vorhaben zu entwickeln. Die Nutzer*innen werden als Partner*innen für die Wirkung des Labors verstanden, die sich dort willkommen, sicher und ermutigt fühlen. Neue Wege zu versuchen und über Ideen oder Fehlschläge zu reden, ist normal. Wer ein Labor gründet, ist nicht für den Erfolg der Gründer*innen dort verantwortlich, aber durchaus für diese Kultur im Labor. Laborgründer*innen sind das schlagende Herz, Gastgeber*in und Vorbild. Dafür müssen sie das Labor aktiv öffnen, Gäste und Gründer*innen willkommen heißen, Nutzer*innen einen verlässlichen, geschützten Rahmen ohne Konsumdruck geben. Dazu gehören transparente Werte, Regeln und Lösungen für eine selbstgesteuerte Nutzung des Labors, beispielsweise Öffnungszeiten, Buchungskalender, definierte Nutzungspakete oder Preismodelle. Andererseits geht es um fehlerfreundliches Feedback und angeleitete Reflexions- und Experimentierräume. Die Nutzer*innen sollten immer wieder aktiv eingebunden werden, als Anteilseigener*innen und in der Suche nach Antworten und Ressourcen. Die Laborgründer*innen müssen also auf diese Weise Räume, Inhalte und Kultur bieten. Für diese komplexe Herausforderung sollten sie sich Unterstützung holen aus der Labor-Community, dem Ökosystem oder anderen Laboren.

Die konkrete Umsetzung solcher Labore kann ganz verschieden aussehen. Sie können zum Beispiel als offene Werkstatt, Vereinsheim, Coworking Space, Kulturscheune oder Gewerbezentrum daherkommen. Manche entstehen ganz neu, andere als Erweiterung bestehender Angebote. In Lauscha wurde das soziokulturelle Zentrum um Ateliers und Gründungsberatung erweitert, um der lokalen Kreativwirtschaft neue Perspektiven zu öffnen. In Saalfeld war ein Labor aus Werkstätten, Gründungsberatung und regelmäßigen Veranstaltungen Teil der integrativen Stadtteilentwicklung. Ausführlicher beschreiben wir hier » Die drei Leuchttürme, S. 96ff.

So selten und individuell, wie solche Labore sind, gibt es keine Kopiervorlage. Die meisten Personen gründen sie ohnehin für ihren Ort und damit zum ersten Mal. Leichter und sicherer wird es, wenn auch diese Laborgründer*innen ein passendes Ökosystem haben: mit Inspiration, Experimentierraum, Gemeinschaft, Rückenwind und Ressourcen. Und wenn diese Menschen, die bereit sind, sich persönlich für das größere Ganze in den Aufbau eines Labors zu knien, dabei von erfahrenen Laborgründer*innen begleitet werden.

Jede und jeder sollte dafür andere Laborgründer*innen ansprechen, sich eine kollegiale Peer-Community suchen. Wir haben dafür die Kulturhanse gegründet, ein Verbund aus Laboren, lokalen und überregionalen Intermediären und Sozialunternehmer*innen, gewerblich wie gemeinnützig, Open Source und kollaborativ. Als Kulturhanse erreichen wir für alle eine größere Sichtbarkeit, akquirieren zusammen leichter mehr Partnerschaften und Fördermittel und neue Handlungsfelder. Für alle Labormacher*innen in spe bieten wir außerdem » Unser Werkstattprogramm, S. 58ff. In neun Monaten erarbeiten sie darin strukturiert und intensiv die wesentlichen Konzepte, Kenntnisse, Kompetenzen, Kontakte und Erfahrungen, um ihr eigenes Labor zu öffnen.

Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018). Praxisleitfaden Soziales Unternehmertum. Frankfurt am Main: Druck- und Verlags- haus Zarbock GmbH & Co. KG.

SEND e.V. (2021b). Social-Entrepreneurship-Gründungsberatung. Ein Handbuch für Gründungsberater*innen zur Beratung von Social Entrepreneurs. Abgerufen von https://www.send-ev.de/wp-content/uploads/2021/10/ Social-Entrepreneurship-Gruendungsberatung.pdf [17.02.2023]

Andocken

Gern organisieren wir solche Formate bei dir vor Ort. Sprecht uns gern an, wenn wir Euch bei der nachhaltigen Entwicklung eures gemeinwohlorientierten Ortes unterstützen sollen. Meldet euch unter: rike@kulturhanse.org.

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Wissenstransfer

Wir geben unser Wissen gern weiter, z.B. in Vorträgen, Impulsen, Workshops, Trainings, Weiterbildungen zu Themen wie: Was brauchen Social Entrepreneure auf dem Land? Wie verwandelt man Leerstand in einen Ort aktiven bürgerschaftlichen Engagements?

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Begleitung & Coaching

Ob Organisations- oder/und Regionalentwicklung – wir begleiten euch dabei Lösungen für eure konkreten lokalen, regionalen Problemstellungen zu entwickeln.

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Werkstattprogramm

Neben maßgeschneiderten Prozessen bieten wir die Kulturhanse-Akademie, ein Werkstattprogramm in einem strukturierten, kollegialen Rahmen. Bereits in zwei Jahrgängen konnten wir uns vom Erfolg des Zusammenspiels zwischen Qualifizierung, Raum- und Laborentwicklung und Inspirationsreise überzeugen.

Gruppenfoto @Philipp Hort

Vernetzungs
veranstaltungen

Unser Kulturhanse-Netzwerk bringen wir in Konferenzen, Camps und anderen Peerformaten zusammen. Im Austausch mit anderen Macher*innen, Stakeholdern und Entscheidungsträger
*innen lässt sich Inspiration und Mut für das eigene Vorhaben schöpfen.