Zivilgesellschaft stärken, Bleibeperspektiven schaffen: Kulturhanse-Konferenz vereint Politiker*innen und Macher*innen

Schrumpfende Orte, Abwanderung junger Menschen, Fachkräftemangel, Daseinsvorsorge, gesellschaftliche Spaltung, Immobilienspekulation, Klimawandel – die Liste an komplexen, gesellschaftlichen Problemlagen lässt sich fortführen. Und trotz dieser düsteren Aussichten gibt es sie: Menschen, die wider aller Umstände nach Lösungen suchen. Bei sich vor Ort und darüber hinaus. Menschen, die mit Mut und Tat ihr Umfeld und Perspektiven gestalten.

Um diesen zivilgesellschaftlichen Macher*innen sichtbar zu machen und zu vernetzen, lud Plattform e.V. am 18.11.22 in den Erfurter Zughafen zur Kulturhanse-Konferenz. Neben der Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales Katharina Schenk kamen an die 100 Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Stiftungen, aus Zivilgesellschaft und Forschung zusammen, um darüber nachzudenken, wie gesellschaftlicher Wandel vor Ort zukunftsfähig gestalten werden kann.

In acht verschiedenen Workshops diskutierten Bürgermeister neben Kulturdirektor, Staatssekretärin neben engagierte*r Bürger*in: Wie schaffen wir Bleibeperspektiven in schrumpfenden Orten? Wie stärken wir zivilgesellschaftliches Engagement? Wie organisieren wir gemeinsam Daseinsvorsorge?

Thüringer Staatssekretärin Schenk by Philipp Hort
Thüringer Staatssekretärin Schenk by Philipp Hort

Staatssekretärin Katharina Schenk zeigte sich beeindruckt:

 

 „Ich habe mit Neugier verfolgt, wie engagierte Bürger*innen ihre Kommunen, auch speziell im ländlichen Raum, eigeninitiativ weiterentwickeln. Wie sie das Potenzial ihrer Gemeinde oder Stadt heben und nutzen und vor allem den Einwohner*innen zur Verfügung stellen. Dies hat einen enormen Mehrwert für das Miteinander in den Gemeinden und Städten. Davon war ich beeindruckt.“

 

Sebastian Kirschner by Philipp Hort

Solch ein engagierter Bürger ist zum Beispiel Sebastian Kirschner von der WerkBank Weimar. Er erklärte einem staunenden Publikum, wie er und seine Mitstreiter*innen vom gemeinnützigen Verein Lösungslabor in 6 Monaten 2 Mio. Euro akquirierten und die alte Münzbank in Weimar kauften. Damit gehören 900m² unverkäuflicher Freiraum in bester Innenstadtlage der lokalen Kreativszene.

 

 

 

 

Stadtmenschen by Friederike Günther

Das Potential ihrer Stadt heben beispielhaft auch die Stadtmenschen Altenburg. Sie kamen mit einem eigens für ihren Heimatort hergestellten Stadtentwicklungsspiel zur Konferenz.

„Ja, Altenburg ist eine schrumpfende Stadt. Aber wir wollen dieser negativen Erzählung was Positives entgegensetzten, denn die Leute, die bleiben oder neu hinzuziehen machen unsere Stadt lebenswert“, erklärte Projektleiterin Susann Seifert: „Die Stadtmenschen, das ist ein Projekt, ein Netzwerk in dem die Bürger*innen von Altenburg ihren Stadtraum niedrigschwellig selbst gestalten.“

Katharina Schenk lobte den interdisziplinären Austausch – nicht nur auf der Konferenz: “Besonders wichtig finde ich es, nicht in der Gruppe der schon Aktiven zu verharren, sondern neue Mitstreiter*innen zu gewinnen. Das gelingt den Projekten der Kulturhanse sehr gut. Für mich bleibt es zentral Projekten dauerhaft Aufmerksamkeit und Ressourcen zu schenken. Pilotprojekte sind zweifellos wichtig, aber die Verstetigung schafft am Ende Vertrauen und Nachhaltigkeit.“

Mobiles Spielecafe by Philipp Hort
Mobiles Spielecafe by Philipp Hort

So ging es auch Gabriele und Sarah-Ann Orymek, die mit ihrem Mobilen Spielecafé einen Workshop bestritten. Mit ihrem Anhänger voller Spiele und eingebautem Café reist das Mutter-Tochter-Gründerinnengespann quer durch Stadt und Land, um für einen Nachmittag den Dorfanger oder Marktplatz mit neuem Leben zu erfüllen.

by Philipp Hort
by Philipp Hort

Wie mit dem Spielecafé verwaiste Treffpunkte in „Wohndörfern“ im Altenburger Land zu Orten der (Wieder-)Begegnung und des Tratschens werden, weckte großes Interesse.

Wir haben konkret vier Einladungen bekommen, mit dem Spielecafe vorbeizukommen und zum Beispiel dabei zu helfen, ein Stadtteilzentrum in Eisenach zu beleben. Das ist klasse!“ sagte Gabriele Orymek stolz.

Frederik Brewer by Philipp Hort

Auch Frederik Bewer, Bürgermeister von Angermünde, zog ein positives Fazit mit einem Augenzwinkern:

„Jetzt bin ich voller Ideen und habe so wenig Zeit – vielleicht hätte ich gar nicht kommen sollen. Für mich als Bürgermeister war das heute eine Fort- und Weiterbildung.“

by Philipp Hort

Für Steffen Präger, Vorstandsvorsitzender vom Veranstalter Plattform e.V., ist nach der Konferenz klar, wo der Fokus von Politik, Verwaltung, von Zivilgesellschaft und Unterstützer*innen liegen muss:

„Der ländliche Raum ist gesellschaftlich und wirtschaftlich unter Druck, etwa durch Abwanderung, Klimaschäden oder Polarisierung der Gemeinschaft. Mancherorts gibt es nur noch wenige Begegnungs- und Versorgungsangebote oder zivilgesellschaftliche Initiativen, die solche Lücken mit ihrem kreativen Schaffen kompensieren. Wir dürfen die Menschen dort nicht allein lassen! Wir müssen gemeinsam Antworten auf diese Herausforderungen finden, weil sie uns alle betreffen – unabhängig davon wo wir wohnen. Deshalb werden wir uns weiterhin einsetzen: Für Räume und Ressourcen, die dem Gemeinwesen gehören. Für den Aufbau von Reallaboren, in denen zukunftsfähige Ideen verwirklicht werden und Selbstwirksamkeit erfahrbar wird. Mit Fokus auf eine Gemeinwohlwirtschaft, die allen dient.“